Um 5:20 Uhr klingelt der Wecker, denn um 6 Uhr sind wir mit Christian, unserem Guide für den heutigen Tag, verabredet. Etwa eineinhalb Stunden lang gehen wir mit ihm die „Straße“ entlang und er führt uns in die hiesige Vogelwelt ein. Jeder Vogel, den wir sehen, ist für uns eine Erstsichtung. Wir haben keinerlei Erfahrung mit den Vögeln Mittelamerikas, daher wäre es ohne Christian ein Ding der Unmöglichkeit auch nur einen der zahlreichen Vögel auf Anhieb zu bestimmen. Außerdem würden wir viele der Piepmätze gar nicht entdecken. Aber Christians geschultem Gehör und Blick entgeht absolut nichts! Auf eine äußerst angenehme Art und Weise zeigt er uns Spezies um Spezies und weiß viel Interessantes zu berichten. Die Zeit vergeht wie im Flug. Aber für Andrea ist das Fotografieren mit dem großen Teleobjektiv (wieder einmal) Schwerstarbeit.
Um 7:30 Uhr setzen wir uns an den Frühstückstisch auf dem großen überdachten Holzdeck der Lodge. Ein großer Teller mit frischen Früchten macht den Anfang und danach gibt es Rührei. So gestärkt starten wir in die „nächste Runde“ des heutigen „Programms“.
Wir fahren etwa 2 km mit dem Auto zum Eingang in das private Schutzgebiet Camino a San Juan. Christian führt uns rund um einen See, der idyllisch in einer tropisch-grünen Landschaft liegt.
Wir können es kaum glauben und wir verstehen es nicht, wie es unser Guide schafft, jedes noch so kleine Fröschlein zu erspähen, bestens getarnte Eidechsen und Salamander zu entdecken und immer weitere Vogelarten für uns auszumachen.
Eine Schrecksekunde gibt es, als unvermittelt eine riesige Ameise auf meiner Brust sitzt. Christian sieht sie und ruft mir erschrocken zu, das Tier abzuschütteln. Reflexartig entledige ich mich des „Angreifers“. Dann erfahre ich, dass diese Ameisenart alles andere als ungefährlich ist. Es handelt sich nämlich um eine Gewehrkugel-Ameise, deren Biss größte, langanhaltende Schmerzen verursacht, vergleichbar mit dem Stich eines Skorpions. Riesenglück gehabt, dass sie mich nicht gebissen hat.
Nach der Umrundung des Sees legen wir eine kurze Pause ein und trinken den Saft einer Kokosnuss, die wir selbst pflücken und die Christian für uns öffnet.
Auf dem nächsten Abschnitt unserer Wanderung sehen wir nicht mehr viele Tiere, aber Christian zeigt uns allerlei Pflanzen und weiß interessante Dinge von ihnen zu berichten.
Jetzt wird es Zeit, „Jagd“ auf den Großen Soldatenara zu machen. Diese Papageienart ist sehr selten geworden und steht fast vor dem Aussterben. Boca Tapada ist einer der wenigen Flecken auf der Erde, an dem diese Art noch anzutreffen ist. Allzu viel Hoffnung macht Christian uns allerdings nicht, denn die Green Macaw seien sehr schwer zu finden. Und so ist es dann auch – in keinem der potenziellen Mandelbäume sitzen die seltenen Aras. Wir wollen aber später noch weitere Versuche starten, sie zu finden.
Es ist gegen 14 Uhr, als wir uns zurück in die Lodge begeben, um kurz die Wanderschuhe gegen Sandalen zu tauschen. Ohne Zeit zu verlieren, fahren wir bald weiter. Plötzlich deutet Cristian in einen riesigen Mandelbaum, grinst und streckt beide Daumen nach oben. Er hat ein Paar grüne Aras entdeckt. Die Freude über die Sichtung dauert aber nur etwa zehn Sekunden, denn im Moment, in dem wir aus dem Wagen steigen, fliegt das Paar los und verschwindet aus unserem Gesichtsfeld. Nur für einen Schnappschuss der Vögel – quasi als Beweisbild- hat es gereicht. Aber zumindest kurz haben wir sie gesehen!
Bei sich zuhause holt Christian Schwimmwesten und einen Kanister Treibstoff für sein Motorboot. Wir wollen nämlich die heutige Natur-Tour mit einer Bootsfahrt auf dem Rio San Carlos und dem Rio Tres Amigos abschließen. Christians Frau, Antonietta, begleitet uns dabei.
Es ist einfach immer wieder ein Traum, in einem Boot durch die Landschaft zu gleiten und Wasservögel (und andere Tiere) zu beobachten. Wir sehen mehrere Arten von Reihern, einen Schlangenhalsvogel, Eisvögel, Regenpfeifer, Schwalben und viele andere mehr.
Drei Stunden sind wir insgesamt auf dem Fluss unterwegs und erfreuen uns am kühlenden Fahrtwind, sowie am kühlen Bier, das wir in einer Kneipe trinken, als wir für eine Pause kurz an Land gehen.
Am Ende des Tages freuen wir uns als Birder über die riesige Zahl neuer Arten auf unserer Bird-Life-List und als Naturfreunde sind wir fasziniert von der überbordenden Flora und Fauna der Region. Wir konnten uns an der unsagbar schönen Landschaft ergötzen und zudem sind wir davon überzeugt, heute einen der sympathischsten Guides kennengelernt zu haben.
An diesem Abend fallen wir beseelt von den unendlich vielen Eindrücken ins Bett.