Wilderness

Knysna. Heute Morgen will ich den Vorhang zum Balkon eigentlich gar nicht aufmachen, denn das trübe Licht, das durch den Stoff fällt, verheißt nichts Gutes: grau bedeckter Himmel rundrum. Eigentlich hatten wir für heute eine Bootstour durch die Lagune von Knysna geplant (incl. Landung auf dem westlichen Head an der Hafeneinfahrt, Wanderung auf den Gipfel und Mittagessen). Nö, bei dem Wetter haben wir dazu keine Lust! Wir lassen uns fürs Frühstück, das wir auf unseren Balkon serviert bekommen, etwas mehr Zeit als gewöhnlich und gehen mögliche alternative Aktivitäten durch. Bald ist der Entschluss gefasst, dass wir ca. 50 Km nach Westen (also „zurück“) fahren werden, um in dem Örtchen Wilderness je nach Wetterlage auf einem idyllischen Flüsschen Kanu zu fahren, oder einen von fünf Wanderwegen im Nationalpark zu begehen.

In Wilderness herrscht leider das gleiche trübe Wetter vor wie in Knysna, was für eine  Wanderung spricht. Wir entscheiden uns für den „Giant Kingfisher Trail“, einen ca. 7 Km langen Wanderweg entlang des Touw-Rivers. Schnell wird uns klar: das war eine gute Wahl! Der Weg führt uns teils durch Waldstücke, die mit ihren Lianen und flechtenüberzogenen Bäumen schon nahe an unsere Vorstellung von Urwald herankommen, teils haben wir schöne Ausblicke auf den kleinen Fluss, an dessen Ufern mehrere Arten von Kingfishern (verwandt mit unserem Eisvogel) beheimatet sind. Leider ist von denen weit und breit keiner zu sehen. Dafür mache ich, als wir auf eine kleine Lichtung mit nur mannshohem Gestrüpp treten, eine tolle Entdeckung: vor uns sitzt im Gebüsch ein „Knysna Loerie“. Mit seinem vorwiegend grünen Gefieder ist er kaum auszumachen. Und hätte ich einen Vertreter seiner Art nicht gestern in der riesigen Voliere in Plettenberg geseh, ich weiß gar nicht, ob ich den Vogel überhaupt entdeckt hätte. Leider sind diese Vögel (wie fast alle) sehr scheu. Ich kann mal eben drei Bilder machen, da kommt eine andere Wandergruppe ums Eck getrampelt … und schon ist er weg, der Loerie!

Aber die Sichtung an sich war schon ein totaler Glücksfall. Rund um uns pfeift und zwitschert es in den unterschiedlichsten Tonlagen und Rhythmen und ab und zu bekommen wir auch die dazugehörenden „Verursacher“ zu sehen. Der Weg führt indes weiter hinein in den Urwald, teils auf federndem Waldboden, teils auf Holzplanken und ab und zu lässt sich sogar die Sonne zaghaft blicken. An einer Stelle überqueren wir den kleinen Fluss mittels einer Seilzugfähre! Wir kommen uns fast vor wie Indiana Jones.

Unterwegs gerät mir außer Vögel und Urwald noch etwas anderes vor die Linse: Pilze! Praktisch, denn die fliegen nicht gleich davon. Und darunter sind ein paar ganz exotische Exemplare u.a. auch ein Tintenfischpilz. Nach knapp zwei Stunden erreichen wir den Wendepunkt der Wanderstrecke, einen Wasserfall, der sich malerisch in zwei Kaskaden über rundgewaschene Felsen ergießt. Wir nutzen die schöne Kulisse für unsere „Vesperpause“ (Biltong und Nüsse, wer hätte es gedacht) und machen uns dann auf den Rückweg. Den schaffen wir in einer guten Stunde.

Auf der Fahrt nach Knysna machen wir noch einen kleinen Abstecher zur Buffalo Bay, einem an sich schönen langen Sandstrand, an manchen Stellen mit rötlichen Felsformationen gespickt. Aber ohne Sonne (die hat sich wieder verzogen) und mit der dazugehörenden seltsamen Ortschaft im Rücken ist es hier nicht wirklich einladend.

Zurück in Knysna holen wir unser Wäsche in der Laundry ab (juhu, die Koffer sind wieder mit sauberer Wäsche gefüllt), tauschen das defekte Navi gegen ein Neues (darauf sind wir doch ab und zu angewiesen) und machen uns dann ausgehfein, denn für heute Abend haben wir ja im JJ’s reserviert, ein gutes Lokal an der Waterfront. Das Essen dort lässt keine Wünsche bei uns offen, womit wir mal wieder einen perfekten Abschluss eines (fast) perfekten Tages haben.

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