Heute ist wieder ein Wandertag! Wir starten unseren „walk“ um 8:15 Uhr. Die Sonne steht schon so hoch und scheint aus einem klaren wolkenlosen Himmel, dass es nicht erforderlich ist, sich einen Pullover überzuziehen. Der Weg zu den Tiger Falls startet direkt bei uns im Higher Camp und schlängelt sich ohne nennenswerte Steigungen an einer Bergflanke entlang. Es ist tatsächlich eher ein lockerer Spaziergang entlang des Bergpfads als eine anstrengende Wanderung. Besonders gefallen uns die unzähligen Zuckerbüsche (Protea) entlang des Weges. Manchmal treten sie in so großer Zahl auf, dass man fast von Protea-Wäldchen sprechen kann. Und beeindruckend, welche Überlebenskünstler die Proteen sind. Die durch Veld-Brände schwarz verkohlten Stämme treiben wieder aus, als ob nichts gewesen wäre. Wie schön muss es hier sein, wenn die Pflanzen in einigen Wochen in voller Blüte stehen.
Bereits nach einer guten Stunde erreichen wir den Wasserfall. „Es rauscht im Wald der Wasserfall – wenn’s nicht mehr rauscht, ist’s Wasser all.“ Gestern war dieser „dumme Spruch“ zu 100% zutreffend. Das Wasser war all – es hat absolut nichts gerauscht. Heute, bei den Tiger Falls, ist es nicht viel anders. Allerdings fallen hier doch einige Tropfen Wasser von der Abbruchkante einer Felswand hinunter und spritzen auf, wenn sie auf die Steine am Fuß des Wasserfalls auftreffen. Das Wasserbecken, in den der Wasserfall in der Regenzeit (afrikanischer Sommer) stürzt, ist gut erkennbar, jedoch komplett trocken. Auch hier gilt aber: es ist nicht entscheidend, ob wir diesen Wasserfall fallen sehen, oder ober er mehr oder weniger ausgetrocknet ist – die Wanderung hierher ist ein großer Genuss. Daher setzen wir den Weg auch fort, gehen noch ein gutes Stück weiter entlang des Pfads bis wir den Lookout Rock erreichen, ein Felsen, der – wie es der Name verspricht –einen grandiosen Ausblick hinunter ins Tal bietet und in der anderen Richtung zu den hohen Bergen des Amphitheaters. Der Rückweg ist genauso locker zu bewältigen wie der Hinweg. Mit Sichtungspausen für Vögel und mit Fotostopps für die unsäglich schöne Landschaft brauchen wir insgesamt 3 Stunden für diese kleine Wanderung.
Zurück am Chalet Nr. 26 füllen wir unseren Wasservorrat auf, ruhen uns ein wenig aus und besprechen die nachmittägliche Wanderung. Diese soll uns zum Policeman‘s Helmet führen, einem Steinblock, der aus einer der Klippen herausragt und mit seiner auffälligen Form in der Tat an einen Helm eines Polizisten erinnert. Wir können von unserem Camp aus bestens sehen, wie der „Polizisten-Felsbrocken“ aus einer Höhe von 400 Meter „auf uns herabschaut“. Da müssen wir hin! Die etwas primitive Wanderkarte, die wir am Visitor Center erhalten haben, weist für die Strecke hin und zurück 5 km aus. Am Ende werden wir mit dem eigenen zuverlässigen GPS ermittelt haben, dass es 11 km sind. TIA!
Wir legen ein zügiges Tempo vor, nachdem wir um 12:15 Uhr gestartet sind, denn wir wollen vor dem Ladenschluss des Shops im Camp zurück sein. Außerdem sehen wir diesen trail nicht nur als Genusswanderung an, sondern ein Stück weit auch als sportliche Herausforderung. Zwar sieht der Policeman’s Helmet vom Camp aus zum Greifen nah aus, aber es liegt ein Tal zwischen Camp und Gipfel. Daher führt der Pfad tief in das Tal hinein, dann an der anderen Flanke wieder hinaus. Dies alles noch bei konstanter, aber gemächlicher Steigung.
Wir freuen uns riesig, als wir vor uns eine großer Herde von etwa 50 Elenantilopen entdecken. Als wir ihnen auf 20 Meter nahekommen, ist ihre Fluchtdistanz erreicht und sie rennen vor uns weg. Welch ein Anblick!
Der Weg ist gut begehbar und stellt keine besonderen Ansprüche an uns Wanderer. Das ändert sich auch erst im letzten Drittel des Aufstiegs. Es wird steil, Geröll erschwert es, einen Schritt vor den anderen zu setzen. Kurz vor dem Gipfel, als wir die Höhe von knapp 2000 Meter erreicht haben, müssen wir sogar „unseren Allradantrieb auf L4 schalten“, sprich die Hände mit einsetzen, um langsam bis zum Zielpunkt unseres Aufstiegs hochzukraxeln. Es ist sau-steil hier, neben uns geht es richtig tief nach unten und jetzt ist Trittsicherheit gefragt. Ein Abrutschen an dieser Stelle wäre tödlich.
Die Pumpe hämmert (zumindest meine) auf Hochtouren. Die letzten Höhenmeter haben ganz schön Energie gefordert. Aber um so schöner das Gipfelerlebnis. Von hier aus schauen wir ins Tal, sehen dort unser Camp, von dem wir vor 1:45 Stunden aufgebrochen sind und die 1000 Meter hohe Abbruchkante des Escarpments.
Unsere Hochrechnung dahingehend, dass wir zum Ladenschluss des Curioshops zurück sind, ergibt, dass wir beim Abstieg einen Zahn zulegen müssen. Gesagt – getan! Schnellen Schrittes machen wir uns bald wieder an den Abstieg. An der kritischen Stelle gleich zu Beginn des Rückwegs, lassen wir natürlich größte Vorsicht walten. Den gesamten Rückweg meistern wir in 1:30 Stunden und erreichen um 15:45 unser Camp, um zu erfahren, dass der Shop bis 16:30 geöffnet hat und nicht nur bis 15:30 Uhr, was ich fälschlicherweise behauptet hatte. Da hätten wir uns doch gar nicht so beeilen müssen!
Etwas abgekämpft, aber mehr als glücklich über diese tolle Wanderung und unsere sportliche Leistung stärken wir uns mit einem Eis und Kaltgetränken. Schön, dass es heute nur etwa 25 Grad warm war und dass immer Wind geblasen hat. Bei höheren Temperaturen und ohne Wind, wäre die Wanderung nachmittags schlecht machbar gewesen. So aber hatten wir perfekte Wetterbedingungen und jederzeit eine ungetrübte Fernsicht.
Nach einer ausgiebigen Dusche (sorry – sollte man eigentlich wegen der Trockenheit unterlassen) bereite ich ein einfaches Nudelgericht zu, das wir uns, begleitet durch einen Pinotage von Spier, schmecken lassen. Das Heizgerät, das wir zu Beginn der Reise erstanden haben, überbrückt die Zeit bis zum Anfeuern des offenen Kamins.
Nachdem wir gegessen, Text geschrieben, Bilder ausgesucht und alles ins Netz hochgeladen haben (was hier gar nicht so einfach ist), blieb sogar noch etwas Zeit, mal wieder Sternefotografie zu betreiben. Leider machte mir die Lage der Milchstraße einen Strich durch die Rechnung. Hatte ich vergangenes Jahr in Namibia unglaubliches Glück, die Milchstraße liegend über den Rändern des Messumkraters ablichten zu können, so musste ich hier leider mit einer senkrechtstehenden vorlieb nehmen.
Milchstraße über dem „Amphitheater“ (die einzelnen Bilder sind auf die Schnelle zusammengestückelt und die Bildqualität hat beim Runterrechnen leider auch gelitten)
Exkurs: warum sind manche Bergflanken grün und andere braun und warum sind Grün und Braun häufig durch eine scharfe Trennline abgegrenzt?
In den hier üblichen Veld-Bränden, die meist gezielt ausgelöst werden, verbrennen die vertrockneten Gräser, Farne und teilweise auch Büsche und Bäume. Die Asche ist der perfekte Dünger für die nachwachsenden Pflanzen. Dort, wo es gebrannt hat, wachsen derzeit schon Gräser und tauchen die Berge in sattes Grün. Dort, wo es nicht gebrannt hat, steht noch der trockene Bewuchs des Vorjahrs. Die Pflanzen kommen hier erst später ans Licht und müssen sich durch die vertrockneten Pflanzen durchsetzen. Außerdem sieht man die jungen Graspflanzen im hohen gelben Gras nicht. Da sich die Schwelbrände so ausbreiten, dass sie an ihrer Flammenfront eine Linie bilden, die oft an Wegen, Wildwechseln oder Bächen stoppen, erklärt das den scharf abgegrenzten Übergang des frischen Grüns zum alten Gelb.