Halbzeit im Mangrovenreservat des Rio Sierpe

Heute bricht die zweite Hälfte unseres Urlaubs an: was haben wir bisher schon alles erlebt! Und, vor allem, was liegt noch vor uns!

Heute gönnen wir uns eine bereits vorgebuchte dreistündige Bootsfahrt durch die Flusslandschaft des Rio Sierpe, das größte Mangrovenreservat Lateinamerikas und RAMSAR-Schutzgebiet. Der Ausgangspunkt der Tour, das kleine Örtchen Sierpe, liegt eine knappe Fahrstunde südöstlich unseres Standortes Ojochal. Wir stehen früher als geplant um 6:00 Uhr auf (Helligkeit und Vogelgezwitscher erübrigen einen Wecker), bereiten uns mit den Einkäufen von gestern in unserer Outdoorküche ein leckeres Frühstück (angelehnt an die hiesige Küche) und brechen um 7:15 Uhr auf. Auf der Straße nach Süden auf der „Costanera Sur“ geht es gut voran (super Straßenzustand, kein Verkehr) und auch als wir diese bei Palmar Sur verlassen, geht es zügig mit Tempo 60 zwischen einigen Palmenplantagen weiter (auf die Besonderheiten im Straßenverkehr werden wir mal noch separat eingehen).

Wir kommen etwas verfrüht bei unserem Tourenveranstalter „Kokopelli“ an und werden zügig von unserem Guide (Name nicht bekannt) in ein kleines Boot verfrachtet. Auf den ersten Blick erinnert dieses mit seinen zwei Rümpfen eher an ein Tretboot mit Dach, aber die Vorteile dieser Konstruktion zeigen sich schnell: durch den geringen Tiefgang können wir auch an die seichtesten Stellen fahren (natürlich angetrieben von einem Motor 😉).

Unser Guide, ein netter junger Mann, wird instruiert, dass wir vor allem an Vögeln interessiert sind. Wolfgang erzählt ihm auf den ersten Metern, welche Vögel wir bereits gesehen haben, und welche wir hier gerne noch sichten würden. Dies ist eine gewisse Herausforderung für jeden Guide, aber, wie wir festgestellt haben, freuen sich diese über konkrete Aufgaben, anstatt ständig das normale Touristenprogramm „Krokodil bzw. Kaiman, Affen, Standardvögel…“ abspulen zu müssen.

Bereits in den ersten Minuten wartet er mit einem richtigen ornithologischen „Schmankerl“ auf: wir steuern eine Stelle mit viel Totholz an und werden aufgefordert, in nächster Nähe einen Vogel zu suchen. Nach einer Weile intensiven „Augen-aus-dem Kopf-Starren“ weist uns der Guide auf einen nachtaktiven Vogel hin, den Klagentagschläfer, der sich zum Schlafen perfekt als Fortsetzung eines Astes tarnt

Wir folgen dem gewundenen Flusslauf des Sierpe ins Landesinnere, erfreuen uns wieder an den einmaligen Eindrücken, die eine Bootsfahrt mit sich bringt und sichten in kurzen Abständen viele Vögel, die wir aber mittlerweile schon gut kennen. Als unser Guide im dichten Gestrüpp einen Krabbenreiher entdeckt (einer der Vögel unserer Wunschliste), bin ich ziemlich frustriert, denn vor lauter Blättern ist der ganze Vogel nicht zu sehen, geschweige denn zu fotografieren. Doch unser Guide meint, dass wir sicherlich noch eine weitere Chance bekommen. Wie Recht er hat! Drei Flussbiegungen weiter sitzt ein Prachtexemplar dieser Reiherart prominent im lichten Geäst und lässt sich regungslos beobachten und fotografieren. Wir bestaunen gerade Fledermäuse, die sich zum Schlafen fotogen an einem Palmenstamm gehängt haben, als lautes Gekreische unseren Guide veranlasst, schnell ein paar Meter weiterzufahren. Wir freuen uns riesig, als wir ein Paar Scharlacharas auf Nahrungssuche in großen Mandelbäumen entdecken. Auch hier sehen wir diese prachtvollen, riesigen Vögel zwar nicht aus nächster Nähe, aber doch wesentlich näher als zu Beginn unserer Reise in Boca Tapada. Teils kopfüber hängen sie im Geäst, um die leckeren Mandeln zu „ernten“, die sie anschließend mit ihren kräftigen Schnäbeln knacken.

Kurze Zeit später turnt eine Gruppe Totenkopfäffchen (Pippi Langstrumpfs „Herr Nilsson“) hoch über uns durch die Bäume, die sich beidseits weit über den Fluss neigen. Da darf nichts schief gehen, denn ein Sturz ins Wasser wäre tödlich: entweder würden die Äffchen ertrinken oder von Krokodilen oder Kaimanen gefressen werden. Doch die geschickten Tiere laufen und springen so behände durchs Geäst, dass es wohl nur selten zu einem Unfall kommt. Nachdem wir die Gruppe eine Weile beobachtet haben, geht die Fahrt weiter. Wieder einmal bewundern wir die vielfältige Vegetation, die sich entlang der Flüsse zeigt, doch hier an der Pazifikküste haben sich leider auch „importierte“ Pflanzen breit gemacht: auf dem Wasser treiben Wasserhyazinthen (eigentlich in Brasilien beheimatet) und riesige Bambusse zeigen sich immer wieder am Ufer. Diese wurden ursprünglich von Farmbetreibern als Windschutz für ihre Plantagen gepflanzt, haben sich aber nun überall breit gemacht.

Das nächste Highlight erwartet uns keine zehn Minuten später: unser Guide entdeckt einen Kahnschnabelreiher! Als er ganz nah ans Ufer ins Dickicht steuert, befürchten wir schon, dass es ähnlich schwierig wird wie vor zwei Tagen, diesen besonderen Reiher zu sehen und zu fotografieren. Doch dann tut sich ein Loch im Blattwerk auf und wir haben freie Sicht. Kein Verrenken, kein auf dem Boden des Bootes liegen. Einfach so auf unseren Bänken sitzend können wir diesen schönen Vogel beobachten. Herrlich! Überhaupt ist es ein Phänomen, auf das wir auch bei unseren Reisen in Afrika immer wieder erlebt haben, dass man sich hier den Vögeln auf wenige Meter nähern kann, ohne dass sie davonfliegen. Da sind unsere heimischen Reiher und der Eisvogel wesentlich scheuer!

Im weiteren Verlauf der Mangroven-Bootsfahrt treffen wir unter anderem auf eine Gruppe Kapuziner-Äffchen, die übermütig in Ufernähe herumtollt, sichten eine Boa hoch über uns im Geäst, einen Amazonas- Eisvogel und einen Basilisken. Etwas Besonderes für uns ist es, zu guter Letzt noch einen etwa einjährigen Kaiman beobachten zu können, den man mit seinen gerade mal 40 Zentimetern Länge fast noch als niedlich bezeichnen könnte. Bisher hatten wir nur ausgewachsene Tiere gesehen.

Als wir nach drei Stunden wieder in Sierpe anlegen, sind wir vollkommen begeistert (wie nach jeder der bisherigen vier Bootstouren) ob der Eindrücke und vielfältigen Sichtungen. Unser Guide bekommt natürlich ein Trinkgeld, bevor wir uns zügig auf den Heimweg machen.

Am frühen Nachmittag gönnen wir uns ein kurzes Mittagsschläfchen in unserem wohltemperierten Häuschen (draußen hat es schwüle 33 Grad) und begeben uns anschließend an den Pool. Nach ausgiebigem Planschen und Relaxen machen wir uns gegen 17:30 Uhr fürs Abendessen „ausgehfein“. Heute sind wir Wiederholungstäter, denn wir kehren erneut beim Mexikaner ein, bei dem uns gestern das Gesamtpaket (leckeres, nicht überteuertes Essen, Ambiente und Livemusik) überzeugt hat. Heute spielt Anke begleitet von ihrem Perkussionisten auf. Wir genießen die „good vibrations“, ergänzt von einer Margarita. Leider sind wir kurz vor acht Uhr (!) bereits todmüde. Wir kehren in die Lodge zurück, sichten noch die Fotos. Doch als ich drohe, über dem Textschreiben einzuschlafen, kapitulieren wir. Morgen ist auch noch ein Tag! Den werden wir auf Empfehlung unserer Vermieterin (eine Französin) am Privatstrand eines sehr guten Restaurants verbringen.

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